Bericht über StarCitizen bei Golem.de

"Man muss schon etwas wissen, um verbergen zu können, dass man nichts weiß."
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Tobi
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Bericht über StarCitizen bei Golem.de

Beitrag von Tobi »

So gut wie jeder Kalifornien-Urlauber dürfte an dem Entwicklerstudio vorbeikommen, in dem Star Citizen entsteht. Golem.de ist einen Schritt weiter gegangen und hat Cloud Imperium Games mit Videokamera besucht. Nur Chefdesigner Chris Roberts war nicht da - der war bei Gollum in London.

Schräg gegenüber von Abercrombie & Fitch, direkt neben einer Eisdiele im kalifornischen Santa Monica, entsteht ein Paralleluniversum: das von Star Citizen. Wir befinden uns in der 3rd Street, also im weitesten Sinne am Strand von Los Angeles - einer der touristischen Hauptattraktionen der Stadt. Für diejenigen, die LA aus GTA 5 kennen: In rund 200 Metern Luftlinie Entfernung hat Dr. Friedman seine psychiatrische Praxis. In der echten Welt befindet sich ziemlich in der Mitte der echten Einkaufsmeile die Zentrale des Entwicklerstudios Cloud Imperium Games.


Rund 40 Entwickler arbeiten dort an Star Citizen, für das Unterstützer bislang rund 84 Millionen US-Dollar per Crowdfunding bereitgestellt haben. Trotz dieses Budgets: Die Büroräume muss man sich nicht wie eines dieser riesigen Fabriklofts vorstellen, in denen die meisten anderen Spielentwickler in Kalifornien residieren. Bei Cloud Imperium Games ist es eng.

Der Schreibtisch von Chris Roberts steht in einem kleinen Büro mit gläsernen Wänden in einer Art Zwischenetage. Grundsätzlich teilen sich drei bis vier leitende Entwickler winzige Zimmerchen in dem verschachtelten Gebäude - in Deutschland würde das Gewerbeaufsichtsamt den Arbeitsverhältnissen so wohl nicht zustimmen. Demnächst soll die Firma ein paar Blocks weiterziehen, dann soll dort auch eine eigene Abteilung für Quality Assurance und Testing entstehen.

"Wir in Santa Monica sind vor allem für die Entwicklung des Universums und für die Weltraumkämpfe zuständig", erklärt uns Community Manager Jared Huckaby. "Hier ist unter anderem das Dogfight-Modul Arena Commander gebaut worden - das hatte sich irgendwie so ergeben".

Aber auch wesentlich kleinere Objekte für die Welt von Star Citizen entstehen in dem Team. Wir unterhalten uns etwa mit zwei Mitarbeitern, die gemeinsam in mühevoller Kleinarbeit eine riesige Datenbank mit Alltagsdingen, Waren, Ausrüstungsgegenständen und sonstigen Dingen für das All bauen. "Also, ich stelle mir vor, ich bin eine Stahlfirma...", setzt einer der beiden an. Gemeinsam erfinden die beiden dann nach und nach im Dialog die Liste der Sachen, die im Zusammenhang mit dem stellaren Unternehmen der Galaxie vorkommen müssen.


Von der Zentrale in Santa Monica aus werden außerdem die externen Studios betreut. In Frankfurt kümmern sich viele ehemalige Crytek-Angestellte nun bei Cloud Imperium Games um die Technologie des Spiels. Die Niederlassung im texanischen Austin kümmert sich um das persistente Universum, Mitarbeiter in Boston kümmern sich um die internen Server und im britischen Manchester entsteht unter anderem ein Großteil der Kampagne.

Dazu kommen Kooperationen mit externen Mitarbeitern und anderen Studios. So stammt ein Teil des Animationssystems für das Ego-Shooter-Modul von dem tschechischen Entwicklerstudio Warhorse und damit eigentlich aus dessen Mittelalter-Rollenspiel Kingdom Come Deliverance.


Sehr viel bekommt Warhorse im Gegenzug übrigens momentan nicht von Cloud Imperium Games als Gegenleistung, wie ein Mitarbeiter von Warhorse Golem.de sagt - aber das könne sich jederzeit wieder ändern, und außerdem habe die Zusammenarbeit dem kleineren Studio sehr viel Aufmerksamkeit verschafft.

Nochmal anders ist derzeit übrigens die Sache zwischen Cloud Imperium Games und Crytek bestellt. Unter der Hand ist aus mehreren Quellen zu hören, dass Crytek wirklich sauer war, als die Star-Citizen-Macher viele wichtige Mitarbeiter abwarben. Seitdem beschränkt sich der Kontakt der beiden Firmen wohl auf ein Minimum.

Cloud Imperium Games stellt den Frankfurtern offenbar auch so gut wie keinen selbst erstellten Code oder Verbesserungen an der Engine zur Verfügung - anders als viele anderen Lizenznehmer der Cryengine wie Warhorse, die sich nach eigenen Angaben regelmäßig und intensiv mit Crytek austauschen.

Was das verteilte Arbeiten der Studios angeht, ist das wegen der unterschiedlichen Zeitzonen oft aufwendig und kompliziert, aber es hat auch Vorteile: "Wenn wir Glück haben und es optimal läuft, arbeitet jede Niederlassung dann, wenn die andere im Feierabend ist. So können wir direkt morgens die Ergebnisse austauschen und besprechen", sagt Huckaby.
Chris Roberts sieht alles

Er erzählt uns auch, dass fast jeder neue Inhalt und jede frisch programmierte Funktion von Chris Roberts genau unter die Lupe genommen und final abgenickt werden. Erst dann dürfen sie ins Spiel gelangen.

Bei unserem Besuch treffen wir Roberts nicht, was wir bereits vorher wussten. "Chris arbeitet länger als geplant im Motion-Capture-Studio von Andy Serkis in London, wo sie das Performance Capturing machen", erklärt Huckaby. Serkis ist vor allem für seine Darstellung des Gollum in der Herr-der-Ringe-Trilogie berühmt. Bei Star Citizen ist es sein Job, möglichst glaubwürdige Gesichtsanimationen etwa für die Charaktere in der Kampagne zu erstellen. Das geschieht mit Hilfe von echten Schauspielern, deren Mienenspiel von Scannern erfasst und dann weiterverarbeitet wird.

Die Kampagne - sie heißt Squadron 42 - ist ein wichtiges Thema für die Entwickler bei Cloud Imperium Games. Vor allem aber für die Spieler. "Wir wissen, dass sie für viele unserer Unterstützer eine sehr große Bedeutung hat", sagt uns Huckaby. Die Missionen von Squadron 42 seien bereits am Entstehen und befänden sich derzeit in sehr unterschiedlichen Stadien.


Für die Arbeit an der Kampagne ist ein Team zuständig, um das viele der anderen Kollegen einen großen Bogen machen: "Es gibt bei uns Mitarbeiter, die wirklich gar nichts vorab über Squadron 42 wissen wollen - sie möchten es in fertiger Form wie ein Spieler erleben und genießen können", sagt Huckaby. Kein Wunder, dass bei derlei Begeisterung für Abenteuer im All das gesamte Büro in Santa Monica mit Postern und Plakaten von frühen Wing-Commander-Spielen und anderen Weltraum-Games und -Filmen zugepflastert ist.

Neben der eigentlichen Entwicklungsarbeit an Star Citizen und der Koordinierung der externen Studioableger hat die Zentrale in Santa Monica noch eine weitere wichtige Aufgabe: Sie kümmert sich um die Beziehungspflege mit den Fans und Spielern, also um das Community Management.
Sparen trotz Millionen-Budget

Das ist aus vielen Gründen essenziell wichtig für Cloud Imperium Games. Zuerst natürlich wegen des Geldes: Der wesentliche Teil des Budgets, derzeit etwas mehr als 84 Millionen US-Dollar, stammt schließlich von der Community.

Das klingt nach Hollywood-Blockbustern und einem Entwicklerleben in Saus und Braus. Vor Ort entsteht dieser Eindruck gar nicht. Und von unterschiedlichen Quellen hat Golem.de die Einschätzung gehört, dass diese Summe für ein Projekt in der Größenordnung und mit dem Anspruch von Star Citizen nicht allzu üppig ist und das Studio tatsächlich sehr auf Kostenkontrolle beziehungsweise weitere Einnahmen und Investments bedacht sein muss.

Das Community-Team von Cloud Imperium Games produziert auch deshalb vier Videoshows pro Woche, die über Twitch.tv ausgestrahlt werden. In eine der Übertragungen stolpern wir bei unserem Besuch direkt hinein. Sie findet nicht in einem klassischen Filmstudio statt, sondern wird mit einer normalen Webcam direkt vom Rechner von einem Entwickler aufgenommen, hinter dem sich ein Großteil des Teams versammelt hat, um über die aktuelle Arbeit oder über Pläne und Konzepte zu sprechen oder schlicht Quatsch zu machen und gute Laune zu verbreiten.

Community-Manager Jared Huckaby sagt, dass es beim Austausch mit der Community möglichst menschlich und authentisch zugehen solle und keine professionell-distanzierte Perfektion gefragt sei. Wenn einer der Entwickler in einer Sendung mal etwas Blödes sage, dann lasse man das auch mal eine Weile stehen und spreche eben ein paar Tage später wieder darüber.


Ähnlich entspannt habe man im Studio auch den kürzlichen Leak von rund 48 GByte an Assets aus Star Citizen genommen. Natürlich seien derartige Vorkommnisse ärgerlich und dürften nicht passieren. Aber immerhin habe die Community so einen echten Blick darauf bekommen, wie intensiv die Cloud Imperium Games an dem Spiel arbeite.

Das Wichtigste aber, und das hören wir bei unserem Besuch von vielen der Entwickler, ist der inhaltliche Einfluss, den die Community auf das Riesenprojekt nimmt. Einerseits geschieht das durch bewusst von dem Studio initiierte Abstimmungen und Wettbewerbe. Dann können die Spieler etwa unter 15 Modellen von Passagiertransportern ihren Favoriten wählen oder selbst Raumschiffe gestalten. Die Gewinner erhalten eine recht hohe Siegprämie, teils bis zu 50.000 US-Dollar, oder ein Jobangebot, das bislang die meisten tatsächlich angenommen haben.
Schiffsbauer gesucht

Andererseits nimmt die Community aber auch großen Einfluss durch Diskussionen im Forum. So hat das Entwicklerteam nach Angaben von Entwicklern nach Kritik von Spielern etwa das Cargosystem des Spiels völlig überarbeitet, und auch an der Waffenbalance in Arena Commander wird im ständigen Austausch immer und immer weiter gefeilt. Ein Fan hat einen Zerstörer, der ihm und anderen nicht gefiel, neu gestaltet. Schließlich hat auch Chris Roberts dem Aussehen des neuen Schiffs zugestimmt.

Auch Jared Huckaby war selbst lange einfach ein Teil der Community. Dann habe er Chris Roberts auf einer Convention getroffen, man sei ins Gespräch über Star Citizen gekommen, und nach ein paar Stunden habe er ein Jobangebot erhalten, erzählt er. Wer das auch möchte: Im Rahmen der Gamescom 2015 veranstaltet Cloud Imperium Games am 7. August ein großes Event mit Fans - natürlich nicht in Santa Monica, sondern in Köln.

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Schiffe: RSI Orion, AEGIS Vulcan, Banu Merchantman, DRAKE Dragonfly und TUMBRIL Cyclone :]
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NovaPrincess
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Re: Bericht über StarCitizen bei Golem.de

Beitrag von NovaPrincess »

Ohne Fanboy sein zu wollen, aber ich kann nich anders: Sehr sehr schöner Artikel!
Bin hier zu finden die nächste Zeit: https://robertsspaceindustries.com/orgs/NCI
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